Samstag, 10. November 2012

Einstellungsgröße


Für die Definition der Einstellungsgröße bedienen wir uns einer Skala. Diese ist allerdings nicht so objektiv wie das Metermaß.

1. Weit (W)
2. Total (T)
3. Halbtotal (HT)
4. Amerikanisch (A)
5. Halbnah (HN)
6. Nah (N)
7. Groß (G)
8. Detail (D)

(Ich stütze mich in der Definition der Einstellungsgrößen auf die Autoren Pierre Kandorfer, Hilmar Mehnert, Gerald Millerson, Roy Thomson, und Steven Katz. Vor allem im Größenbereich Halbtotale – Amerikanische gehen die Festlegungen leicht auseinander.)

Folgende Bildbeispiele beziehen sich auf den Westernfilm-Klassiker High Noon.

1. Weit (W)

















2. Total (T)

















3. Halbtotal (HT)

















4. Amerikanisch (A)

















5. Halbnah (HN)

















6. Nah (N)

















7. Groß (G)

















8. Detail (D)


















Es folgen Beispiele für Einstellungsgrößen aus einem der großen Filme der Geschichte, Panzerkreuzer Potemkin von Sergej Eisenstein.



















Sie zeigen Einstellungen aus der berühmten Sequenz, die auf der Hafentreppe von Odessa spielt. Hier treffen Truppen des Zaren auf Bürger, die den Aufstand der Matrosen unterstützen. Die haben den Auftrag den Widerstand der Bürger und der Aufständischen zu brechen.












•  Extremweite Totale, Panorama, extremely long shot

Dieser Überblick über die breite Treppe von Odessa kommt am ehesten einer Panorama-Einstellung nahe. Die Optiken der Kameras der 20er Jahre taten sich noch schwer mit weiten Übersichts-Einstellungen. Und so sind wir auch gleich mit der Verhältnismäßigkeit unserer Skala konfrontiert. Denn die Einstellungsgröße bezieht sich immer auf das Motiv. Im Film über die Stubenfliege hat eine Totale eine andere Dimension, eine weit geringere Dimension als etwa eine Totale des Alpenbogens aus dem Weltraum gesehen. […] 











•  Weite Totale, very long shot

Diese Einstellung gibt eine lokale Orientierung. […] Hier wählt Eisenstein die Totale, um den Raum von oben zu etablieren. Anderseits engt er sie mit einer Maske kreisförmig ein, um bereits in der Phase des Überblicks auf das kommende, tragische Geschehen zu verdichten. 











•  Totale, long shot

[…] Ein Mensch wird mit dieser Einstellung von über Kopf bis unter Fuß dargestellt. Diese Größe wird oft an den Beginn einer Sequenz gestellt, damit sich die Betrachter in den nachfolgenden Einstellungen orientieren können. […] Eisenstein zeigt hier rennen, stürzen, flüchten. Nicht mehr nur der Ort ist das Wichtige, sondern die Handlung bekommt einen größeren Stellenwert. 











 •  Halbtotale, medium long shot, Amerikanische

[…] Die Betrachter erkennen nicht mehr nur, ›dass‹ sich etwas tut, sondern können bereits das ›Was‹ benennen. […] Eisenstein zeigt in dieser Größe eine Frau, die sich schützend vor das Baby im Kinderwagen stellt. 











•  Halbnahe, medium shot

Eine Person wird von über Kopf bis zur Hüfte dargestellt. […] Es ist deutlich erkennbar, dass die Frau verletzt ist. Was war die Ursache? – Diese Frage ist aber nicht aus dem Motiv, sondern aus dem Zusammenhang erklärbar. Sie wurde von einer Kugel aus den Gewehren der zaristischen Truppen getroffen. 












 •  Nahe, medium close up

In dieser Einstellung spricht eine Person direkt zur Kamera. […] Die Frau ist von den Zaristen tödlich getroffen. In ihrem stummen Schrei äußert sich die Sorge um ihr Kind, vielleicht auch um ihr ungeborenes Kind (siehe Detailaufnahme) 











•  Große, close up

Jetzt bekommt Film einen starken emotionalen Charakter, Reaktionen sind sichtbar, die Zuseher können ihre Aufmerksamkeit bereits Feinheiten, Microbewegungen widmen. Der Kopf deckt die Bildfläche weitgehen ab und ist von überm Scheitel bis incl. Kragen sichtbar. 











•  Ganz Große, big close up

Das Gesicht, der Gegenstand füllt die Projektionsfläche. Das Gesicht wird von der Stirn bis zum Kinn dargestellt. Die 'Ganz Große' ist emotional gesehen etwas vom Stärksten, was unser Medium aufzubieten hat. Das Umfeld wird vom Hauptmotiv abgedeckt. Diese Einstellungsgröße ist noch relativ konkret.











  Detail, extreme close up

Das Detail ist oft schon stark abstrahierend. Gegenständen, Personen können durch die Detailaufnahme oft nicht mehr identifiziert werden, eine Identifikation gelingt nur noch, weil beim Rezipienten schon der entsprechende Horizont gebildet ist. Nur noch ein Teil des Gesichtes wird dargestellt, die Augenpartie etc.

In diesem Bild rechtfertigt der Inhalt, dass von einer Detailaufnahme gesprochen werden kann. Der Rezipient erkennt Blut. Mit heutiger Kameratechnik kann auf einfache Weise noch größer dargestellt werden. Eisensteins Kameramann Eudard Tisse dürfte damals aber an die Grenze des Machbaren gegangen sein. In dieser Darstellungsgröße bleibt jedenfalls Assoziationsraum offen: Haben die zaristischen Schlächter eine wehrlose Schwangere tödlich verletzt?